Preisanstieg durch die Energiekrise

Klimaschutz und Energiewende sind wichtiger denn je

Von Michael Gneuss und Katharina Lehmann · 2022

Energie ist knapp. Und sie ist teuer. Mehr als 50 Cent kostete die Kilowattstunde Strom zuletzt an der Strombörse – doppelt so viel wie zum Beginn des Jahres. Wann genau das Ende des Preisanstiegs erreicht ist, lässt sich derzeit nur schwer abschätzen. Schuld ist aber nicht nur der Ukrainekrieg, sondern auch der Klimawandel.

Hand mit einer Glühbirne in der Natur in abstrakter Darstellung mit verschiedenen Energie-Icons.
Die Erneuerbaren sichern die Energieversorgung der Zukunft. Foto: iStock / A stockphoto

Frankreich ist vom Stromexporteur zum Stromimporteur geworden. In dem Land, das seinen Strom zu 67 Prozent aus Kernenergie herstellt, waren in diesem Sommer nur noch 27 der 56 Atommeiler in Betrieb. Die Gründe sind vielfältig: Die Coronapandemie und Quarantäneregeln haben die Wartungsintervalle durcheinandergebracht. Korrosionsschäden an einem bestimmten Reaktortyp machen umfassende und lang andauernde Wartungsarbeiten nötig. Hinzu kam die Sommerdürre, die dafür sorgte, dass selbst große Flüsse wie die Loire, die Garonne und die Rhône zu wenig und vor allem zu warmes Wasser führten – Wasser, das als Kühlwasser für Atomkraftwerke dient. Das Problem: Ist die Wassertemperatur durch Hitzewellen erhöht, muss die Atomstromproduktion gedrosselt werden. Unter Umständen werden aus diesem Grund Reaktoren auch vom Netz genommen, weil sie das Wasser im Kühlprozess weiter aufheizen und so Fauna und Flora gefährden würden. Insgesamt kostet der Hitzesommer Frankreich rund 470 Gigawattstunden Energie, rechnet Callendar Climate Intelligence vor, ein Start-up, das sich auf die Einschätzung von Klimarisiken spezialisiert hat.

Weniger Strom wegen Hitze

Und die Hitzewelle trifft nicht nur Frankreich. Ganz Europa leidet unter den Folgen des Klimawandels. Die vergangenen Sommer waren heiß und trocken, und auch die Winter waren zu warm und brachten nicht den ersehnten Niederschlag. So konnten auch die Wasserkraftwerke in der Schweiz und in Norwegen nicht mit voller Auslastung laufen, weil es bereits im gesamten vergangenen Jahr zu wenig Niederschlag gegeben hatte, die Flüsse zu wenig Wasser führen und die Becken fast leer sind. Auch in Italien sind 90 Prozent der mehr als 4.000 Mini-Wasserkraftwerke entlang der Flüsse und Bewässerungskanäle aufgrund der Dürre stillgelegt. Ebenso mussten einige thermoelektrische Kraftwerke im Po-Becken, die mit Gas oder Diesel betrieben werden, stillgelegt werden, weil der Po kein Kühlwasser mehr liefert. Hinzu kommt, dass Windräder bei einer Lufttemperatur von über 40 Grad Celsius heruntergeregelt werden müssen, damit sie nicht überhitzen. Selbst Solarzellen sind bei großer Hitze nicht so effizient wie bei 25 Grad. Und die deutschen Kohlekraftwerke kämpfen derzeit ebenfalls mit dem Niedrigwasser. Denn da die Pegelstände von Rhein, Neckar und Donau historisch niedrig sind, werden Frachtschiffe nur noch mit maximal halber Fracht beladen, um nicht auf Grund zu laufen. Sinken die Pegelstände weiter, könnten einige Kohlemeiler ganz von der Versorgung mit Brennstoff abgeschnitten werden.

Preisanstieg durch die Energiekrise: Billig-Gas verdeckt Klimawandel

Die Knappheit in der Stromerzeugung führte dazu, dass zuletzt sogar mehr Strom aus Gas erzeugt wurde – trotz des Preisanstiegs. So produzierten deutsche Gaskraftwerke im Juli 13 Prozent mehr Strom als im Juli des Vorjahres. Für August waren es 24 Prozent mehr. In den vergangenen Jahren hatte die massive Einfuhr billigen russischen Gases die Folgen der Klimaerwärmung auf die europäische Energielandschaft verdeckt. Nun aber zahlen wir den Preis für den Klimawandel. Wir müssen also dringend etwas tun, um die Erderwärmung zu stoppen – auch wenn wir die Resultate nicht sofort sehen werden. „Der Klimawandel geht weiter“, sagt auch der Hydrologe Fred Hattermann vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Eine sehr ambitionierte Klimapolitik könnte ihn erst in der Mitte des Jahrhunderts langsam stoppen.“ Extremwetterlagen wie Stürme, Fluten und in Europa vor allem Hitze und Dürren werden uns also auch die nächsten Jahre und Jahrzehnte begleiten.

Neue Hitzerekorde drohen

Denn das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist kaum noch realistisch. Nach Angabe der Vereinten Nationen wird die Schwelle mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent schon in den kommenden fünf Jahren zumindest zeitweise überschritten werden. Im Jahr 2015 lag diese Wahrscheinlichkeit noch bei null Prozent, so der Klimabericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Mit dem Pariser Klimaabkommen hatte sich die Weltgemeinschaft darauf verständigt, die Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf weniger als zwei Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Nach Aussagen von WMO-Generalsekretär Petteri Taalas werden ab einer Erwärmung von 1,5 Grad die Auswirkungen des Klimawandels für diesen Planeten und seine Bewohner „zunehmend schädlich“. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gehen die Klimaforschenden indes davon aus, dass im Zeitraum 2022 bis 2026 mindestens ein Jahr noch wärmer werden wird als das bisherige Rekordjahr 2016. Neben dem Klimaschutz müssen wir also auch immer mehr in Klimaanpassungen investieren. Denn die Schäden sind schon jetzt immens. Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums hat das Analyse- und Beratungsunternehmen Prognos errechnet, dass seit dem Jahr 2000 jährlich im Durchschnitt 6,6 Milliarden Euro Kosten durch Klimawandelfolgen entstanden sind. Allein die Schäden aus der Hochwasserkatastrophe im vergangenen Jahr beziffert die Studie auf 80 Milliarden Euro. Fakt ist: Die Treibhausgasemissionen müssen runter – und zwar sofort. Gelingen kann das nur, wenn Staaten, Wirtschaft und Verbraucherinnen und Verbraucher gemeinsam an einem Strang ziehen und die gesamte Gesellschaft klimaneutral und emissionsfrei aufstellen. Wie teuer das für Deutschland wird, hat das volkswirtschaftliche Kompetenzzentrum KfW Research errechnet. Bis zum Jahr 2045 werde die Klimaneutralität in der Bundesrepublik rund fünf Billionen Euro kosten.

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