Grüne Zukunft

Allein Probleme aufzuzeigen, reicht nicht

Von Nadine Effert · 2021

Angefangen hat er im 18. Jahrhundert in der Forstwirtschaft, heute durchdringt er alle Lebensbereiche: der Trend zur Nachhaltigkeit. Immer mehr springen auf den Zug mit dem Ziel „Green Future“ auf. Und: Neue Technologien und Lösungen können die Vision von einem klimaneutralen Deutschland 2050 wahr werden lassen.

Ein Blick in die grüne Zukunft von oben
Foto: iStock/ Petmal

Nie zuvor haben die Themen Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Energiewende so viel mediale Aufmerksamkeit erfahren oder solch große Relevanz im gesellschaftlichen Diskurs eingenommen wie in jüngster Zeit. Gute Beispiele: Die Fridays for Future-Bewegung, das historische Ergebnis der Grünen bei der Europawahl 2019 oder der Entschluss des EU-Parlaments im Oktober 2020 für ein schärferes Klimaziel bis 2030. Auch aus den hiesigen Reihen der Politik kommen nahezu täglich neue Vorschläge, viele werden auch umgesetzt, wie etwa das Verbot des Verkaufs von Einmal-Plastikprodukten ab Juli 2021, die Förderung des Ausbaus von Ladestationen für E-Autos bis 2030 oder die seit diesem Monat geltenden neuen Energieeffizienzklassen für Elektrogeräte, die neben sparsamen Stromverbrauch auch Reparaturfreundlichkeit und Umweltverträglichkeit in die Bewertung miteinbeziehen.

Handlungsbedarf offensichtlich

Fakt ist: Keine Entscheidung, die wir heute treffen, wird ohne Folgen für die Zukunft bleiben. Noch werden auf der Erde unwiederbringlich Ressourcen und nicht erneuerbare Energieträger verbraucht, Luftschadstoffe und Klimagase freigesetzt, Meere vermüllt, Menschen ausgebeutet und Artensterben in Kauf genommen. Städte wachsen unaufhörlich, während Regenwälder verschwinden. Die Auswirkungen sind bekannt und werden der Menschheit, sofern sie nicht gegenlenkt, zum Verhängnis. Heute schon an morgen denken, diese Devise ist weit mehr als ein kluger Spruch, sondern notwendig, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Eines davon lautet: langfristig klimaneutral werden. Allerdings machen fossile Brennstoffe immer noch einen erheblichen Teil des Energiebedarfs aus. In Deutschland stammen fast 80 Prozent des Primärenergiebedarfs und rund 35 Prozent des Stroms aus fossilen Energiequellen. Die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre war 2019 weiter gestiegen; der Corona-bedingte Rückgang im vergangenen Jahr sei laut Weltwetterorganisation (WMO) nur minimal und damit keine – wie erhofft – Verschnaufpause für das Klima. Um die Erderwärmung, wie vom Weltklimarat empfohlen, bis Ende des Jahrhunderts auf 1,5°C zu begrenzen, muss die Welt bis 2050 klimaneutral werden.

Klimaneutral – geht das?

Ist das realistisch? Und was ist dafür in den kommenden Jahren in Deutschland nötig? Dass in Deutschland Klimaneutralität bis 2050 wirtschaftlich und technisch machbar ist, zeigt die von Prognos, Öko-Institut und Wuppertal Institut im Oktober 2020 veröffentlichte Studie „Klimaneutrales Deutschland 2050“. Und zwar in drei Schritten: eine Reduktion der Treibhausgase bis zum Jahr 2030 um 65 Prozent (gegenüber 1990, gefordert sind laut Klimaschutzgesetz mindestens 55%), dann auf 95 Prozent durch den Umstieg auf klimaneutrale Technologien und letztlich der Ausgleich der nicht vermeidbaren Restemissionen durch CO2-Entnahme aus der Atmosphäre, wie zum Beispiel Biomasse-CCS und direkte Luftabscheidung (DACCS). „Der Weg in die Klimaneutralität ist ein umfassendes Investitions- und Zukunftsprogramm für Deutschland, vergleichbar mit dem Wirtschaftswunder in den 1950er/60er-Jahren“, sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende, die gemeinsam mit Agora Verkehrswende und der Stiftung Klimaneutralität die Studie in Auftrag gegeben hat. „Dafür müssen wir beim Ausbau von Wind- und Solaranlagen alles geben, sie bilden den Grundpfeiler für eine klimaneutrale Bundesrepublik.“

Erneuerbare Energien

Die zusätzlichen Einsparungen bis 2030 ergeben sich laut Studie primär in der Energiewirtschaft durch einen beschleunigten Kohleausstieg und schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien sowie durch eine zügigere Transformation in der Industrie. Die Energiewirtschaft allein kann, gemäß dem Szenario, die jährlichen CO2-Emissionen um 207 Millionen Tonnen senken, was in etwa der Hälfte der nötigen Minderung von 420 Millionen Tonnen im Jahr 2030 entspricht. Für die Industrie sei neben der direkten Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Energien der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur entscheidend. Aber auch im Bereich Verkehr, etwa durch die E-Mobilität, und im Gebäudesektor, etwa durch den Umstieg auf Wärmepumpen, schlummert viel Potenzial für zusätzliche Einsparungen.

Industrie: Stahl als Vorreiter?

Quelle: Ipsos, 2020

Fakt ist: Seit etwa dem Jahr 2000 sind die Emissionen der Industrie kaum noch gesunken. Ein Fokus der Studie liegt auf der enormen Bedeutung Deutschlands als Standort für die Grundstoffindustrien, darunter Stahl, Grundstoffchemikalien und Zement, und deren Herausforderungen, die in den für die Umwandlung von Rohstoffen nötigen energieintensiven Hochtemperaturprozessen sowie dem Auftreten prozessbedingter Emissionen liegen. Um in den zentralen Grundstoffindustrien die Klimaziele zu erreichen, seien neue Prozesse erforderlich. Hier könnte die Stahlindustrie Vorreiter sein, denn rund die Hälfte der Hochöfen in Deutschland muss bis 2030 aus Altersgründen ersetzt werden. Direktreduktionsanlagen, die vorwiegend mit Wasserstoff und kleineren Anteilen Erdgas betrieben werden, könnten den CO2-Ausstoß der Industrie drastisch senken.

CO2-Footprint reduzieren für eine grüne Zukunft

Doch nicht nur Politik, Wirtschaft und Industrie sind am Zug, wenn eine „Green Future“ Realität werden soll. Jeder Einzelne ist gefragt, seinen persönlichen CO2-Fussabdruck zu verkleinern – sei es durch den Umstieg auf Ökostrom, den Kauf regionaler Produkte, das Vermeiden von Flugreisen oder die Unterstützung von nachhaltig agierenden Unternehmen. Zwei Tonnen CO2 darf jeder Mensch jährlich verursachen, damit der Treibhauseffekt nicht verstärkt und das Klima geschützt wird. Die tatsächliche Emission pro Kopf liegt um mehr als das sechsfache höher. Allein sich der Probleme bewusst sein, reicht eben nicht – es braucht gesamtgesellschaftliche Anstrengungen, damit der Zug in Richtung grüne Zukunft sein Ziel nicht verfehlt.

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