Nachhaltige Bauweisen

Eigenheim mit Köpfchen

Von Tobias Lemser · 2021

Laut dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung werden in Deutschland 40 Prozent der CO₂-Emissionen durch die Herstellung, Errichtung und Nutzung von Gebäuden verursacht. Grund genug, aktiv gegenzusteuern – idealerweise durch eine nachhaltige Bauweise. Doch was heißt dies überhaupt und welche Rolle spielt der Recycling-Aspekt?

Ein Bauarbeiter stemmt eine Solarplatte.
Foto: iStock / Akarawut Lohacharoenvanich

Neubau oder Bestandsimmobilie? Es ist die zentrale Frage für jede Familie, die sich den Traum vom Eigenheim verwirklichen möchte. Neben Optik und Budget hängt die Entscheidung auch von der Energiebilanz ab. Wer möchte schon in einen schlecht isolierten Altbestand ziehen, in dem die Wärme durch sämtliche Ritzen entweicht – sowohl ökonomisch als auch ökologisch langfristig fragwürdig. Ist der Sanierungsaufwand aufgrund mangelhafter Bausubstanz zu groß, ist es oft besser, den Altbestand abzureißen und neu zu bauen.

Bauschutt ohne Ende

Die Kehrseite: Gerade wer nachhaltig denkt und handelt, sollte jedoch ebenso ins Kalkül ziehen, wie viele Baumaterialien – oftmals sogar im einwandfreien Zustand – bei einem Abriss im Bauschuttcontainer landen. Ein Problem, das inzwischen die komplette Abfallentsorgungsbranche beschäftigt. Im Jahr 2019 kam Deutschland laut Statistischem Bundesamt auf knapp 230 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle – rund 55 Prozent des gesamten Abfalls. Zwar lässt sich das gemahlene Abrissmaterial für den Straßenbau und für Verfüllungen wiederaufbereiten, allerdings übertrifft das Angebot inzwischen erheblich die Nachfrage. Häufig wissen Kommunen nicht mehr wohin mit den Abrissbergen.

Mehr als Ressourcenschutz

Die gute Nachricht: Es gibt für Häuslebauer mit Nachhaltigkeitsgedanken die Chance auf Wiedergutmachung. Doch was heißt nachhaltig zu bauen überhaupt und wie unterscheidet es sich von der ökologischen Bauweise? Zielt der ökologische Gedanke auf Umwelt- und Ressourcenschutz und darauf ab, dass Baustoffe und Materialien aus gesundheitlicher Sicht unbedenklich sind, inkludiert nachhaltiges Bauen zusätzlich ökonomische und soziokulturelle Aspekte. Bedeutet also in der Praxis, sämtliche Baustoffe, sei es Dämmmaterial oder Wandfarben, genauso wie das Abwasseraufkommen, diesbezüglich auf den Prüfstand zu stellen.

Naturbaustoffe mit Zukunft

Stellt sich die Frage, womit der Bau nachhaltig gemacht werden soll: Klassiker unter den nachhaltigen Baumaterialien ist nach wie vor Holz: Mehr als 17.000 Wohngebäude wurden bundesweit im Jahr 2019 aus Fichte, Kiefer, Lärche oder Douglasie errichtet, was 20,6 Prozent aller neuen Einfamilienhäuser entspricht. Im Jahr 2000 betrug der Anteil noch 13 Prozent. Aber auch Häuser aus Strohballen sind vermehrt gefragt. Laut Schätzungen des Fachverbands Strohballenbau Deutschland, lag die Zahl der strohgedämmten Gebäude im Frühjahr 2020 bei bis zu 1.500. Zunehmend im Kommen ist auch Seegras, das vor allem zum Decken von Dächern genutzt wird. Vorteil: Es bildet eine wasserabweisende Patina, ist geruchsneutral und hat sehr gute Dämmeigenschaften. Hinzu kommt, dass Seegrasdächer wegen ihres hohen Salzgehalts nicht verrotten und im Gegensatz zu Reet zudem nicht brennen.

Recycling statt Neuproduktion für nachhaltigere Bauweisen

Überhaupt spielen recycelbare und bereits recycelte Materialien eine immer wichtigere Rolle. Stichwort Urban Mining, das angesichts knapper werdender Rohstoffe und damit steigender Preise zunehmend in den Fokus rückt. Ziel ist es, aus den Unmengen an Abfällen neue Baustoffe zu gewinnen, um Rohstoffe zu sparen. Beispielsweise deckt recyceltes Kupfer bereits 35 Prozent des weltweiten Kupferbedarfs. In einigen Teilen der Welt, wie in der Europäischen Union, China und Japan, wird mehr als die Hälfte des gesamten Kupfers nach Gebrauch recycelt. Kupfer ist geradezu ein Paradebeispiel, da es immer wieder recycelt werden kann, ohne seine physikalischen Eigenschaften zu verlieren.

Zusätzlich zum klassischen Recycling braucht es für die Zukunft jedoch auch neue Ideen, wie man Baustoffe immer wieder benutzen kann. Wie wäre es zum Beispiel mit aus Glasscherben oder Tetrapacks gefertigten Platten für Wände, Decken oder Tischplatten – in großer Produktion noch Zukunftsmusik, jedoch eine hoffnungsvolle Aussicht, um noch in Jahren auf ausreichend Baumaterialien zurückgreifen zu können.

Staatliche Förderung

Bleibt die Frage der Bau-Finanzierung: Denn natürlich haben Neubauten, welche nach nachhaltigen Gesichtspunkten gebaut werden, ihren Preis, den nicht jeder zahlen kann. Doch das Projekt muss nicht scheitern, auch dank finanzieller Hilfe, so etwa von der staatlichen Förderbank KfW. Das ist neu: Seit Juli dieses Jahres liegt der maximale Kreditbetrag bei 150.000 Euro. Voraussetzung ist jedoch, dass das Haus den Effizienzstandard „KfW 40 Plus“ erfüllt oder dessen Nachhaltigkeit zertifiziert ist. Weiterer Pluspunkt: Nicht nur verschiedene KfW-Fördertöpfe lassen sich miteinander kombinieren, auch die Bundesländer selbst haben Programme aufgelegt, die energieeffizientes Bauen unterstützen – gute Voraussetzungen, um den großen Traum von den eigenen vier Wänden wahr werden zu lassen.

Quellen:
Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat: Informationsportal Nachhaltiges Bauen
Ökologisch bauen: Ökologisches Bauen: Keine Frage des Preises

Youtube: Warum nachhaltig Bauen?

Vier Tipps zum nachhaltigen Bauen

1. Richten Sie Ihr Haus so aus, dass Sie die Energie der Sonne sinnvoll als natürliche Licht- und Wärmequelle nutzen können.

2. Verwenden Sie Baustoffe, die mit wenig Energieaufwand hergestellt werden können und nach der Nutzung biologisch abbaubar sind.

3. Setzen Sie auf Naturfarben und Leime auf Pflanzenbasis und verzichten Sie auf Lösungsmittel. Auch so lässt sich ein witterungsbeständiger Schutz der Fassade erzielen.

4. Legen Sie im Garten Wert auf wasserdurchlässige Wege und Flächen.

Quelle: Velux Magazin

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