Green Future

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Von Nadine Effert · 2021

Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass eine nachhaltige Entwicklung für die Zukunft der Gesellschaft von entscheidender Bedeutung ist. Darüber besteht weitgehend Einigkeit in Wissenschaft und Politik. Doch die Kluft zwischen Bewusstsein und Handeln muss überwunden werden – und zwar auch von jedem Einzelnen.

Ein Mädchen hält eine junge Pflanze in den Händen
Foto: iStock/Natee127

Die Hälfte des Landes ist mit Wald bedeckt, 30 Prozent stehen unter Naturschutz, auf Benzin gibt es eine Ökosteuer und über 90 Prozent des Stroms wird aus erneuerbaren Ressourcen produziert – was fast ein bisschen zu schön klingt, um wahr zu sein, ist in Costa Rica längst Realität. Das in Zentralamerika gelegene Land hat früh auf Nachhaltigkeit gesetzt und steht laut Sustainable Development Index (SDI) aktuell auf Platz eins der nachhaltigsten Länder der Welt. Deutschland liegt abgeschlagen auf Platz 134. 

85 Prozent vom Klimawandel betroffen

„Wir gehen mit der Welt um, als hätten wir noch eine zweite im Kofferraum“, sagte einst Jane Fonda – und liegt mit dieser Beurteilung leider richtig. Verheerend, denn schon heute sind die Auswirkungen des Klimawandels präsent. In welchem Ausmaß konkret, das hat eine im Oktober veröffentlichte Metastudie der beiden Berliner Klimaforschungsinstitute „Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change“ (MCC) und „Climate Analytics“ zutage gebracht. Insgesamt 100.000 wissenschaftliche Studien wurde dabei mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) untersucht. Das Ergebnis: Der Klimawandel wirkt sich schon heute auf mindestens 80 Prozent der Landfläche der Erde und auf mindestens 85 Prozent der Menschheit aus. „Unsere Studie lässt keinen Zweifel daran, dass die Klimakrise bereits fast überall auf der Welt zu spüren ist“, sagt Max Callaghan, Postdoc in der MCC-Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung und Leitautor der Studie.

Ziele sind klar, der Weg nicht

Hitzerekorde, Unwetter, Hochwasser, Artensterben – auch hierzulande werden wir bereits mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert. Mit dem neuen Klimaschutzgesetz 2021 wurden die Zügel angezogen: Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Bis 2030 soll der CO₂-Ausstoß um 65 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 gesenkt werden. Fachleute sagen, es sei an der Zeit, beschlossene Maßnahmen auch wirklich umzusetzen. Etwa damit das übergeordnete Ziel des Pariser Klimaabkommens, die globale Erwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, erreicht werden kann. Allerdings würden laut Climate-Tracker-Analyst (CAT) mit den aktuellen Klimazielen für 2030 doppelt so viele Treibhausgase ausgestoßen, wie vorgesehen. Deutschland erhält ein „ungenügend“. Nur ein Land ist „kompatibel mit dem 1,5-Grad-Abkommen“: Gambia. 

Nachhaltigere Mobilität

Großes Potenzial für CO₂-Einsparungen schlummert zum Beispiel auf der Straße. Weg frei für die Elektromobilität, in der viele die Zukunft des Straßenverkehrs sehen – eine zuverlässige Ladeinfrastruktur und genügend „grünen“ Strom vorausgesetzt. In Deutschland ist die Zahl der Stromer aufgrund der massiven Förderprogramme und der neuen CO₂-Strafsteuer auf Benzin und Diesel deutlich gestiegen. Nach den aktuellsten KBA-Zahlen waren 20 Prozent der Neuzulassungen Hybridmodelle und 17 Prozent reine E-Autos. Der letzte Neuwagen mit Verbrennungsmotor soll 2035 verkauft werden. Eine wichtige Rolle bei der Mobilitätswende spielt – neben der Vernetzung verschiedener Formen des Individualverkehrs und des öffentlichen Personennahverkehrs – auch der Schienenverkehr. „Es steht außer Frage, dass der Schienenverkehr auf den meisten Gebieten – Nachhaltigkeit, Sicherheit und sogar Geschwindigkeit – enorme Vorteile bietet, wenn seine Organisation und Technik den Standards des 21. Jahrhunderts entsprechen“, erklärte die EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean im letzten Jahr in Brüssel. Die Bahn sei nicht nur umweltfreundlich und energieeffizient, sondern auch der einzige Verkehrsträger, der seine CO₂-Emissionen seit 1990 fast ununterbrochen senken konnte, bei steigendem Beförderungsvolumen.

Digitalisierung als Treiber für Green Future

Ein Treiber in Richtung „Green Future“ – insbesondere im Bereich der Mobilität und in der industriellen Fertigung – können digitale Technologien sein. Sie sind in der Lage, zu über ein Drittel dazu beizutragen, dass Deutschland seine Klimaziele bis zum Jahr 2030 erfüllt. Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Digitalverbands Bitkom. Voraussetzung sei jedoch ein gezielter, beschleunigter Einsatz digitaler Lösungen. Digitale Technologien könnten auch bei der Umsetzung des im Sommer verabschiedeten Lieferkettengesetzes hilfreich sein. Denn ab 2023 müssen Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitenden rechtssicher dokumentieren, dass ihre Lieferanten sich an Menschenrechte und Umweltvorgaben halten. Keine einfache Aufgabe. Globale Lieferketten sind heute zu hochkomplexen Netzwerken geworden, deren lückenlose Überwachung nahezu unmöglich ist. Doch auch ohne ein Lieferkettengesetz achten laut aktuellem Zukunftspanel des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) die meisten deutschen Unternehmen auf Nachhaltigkeit: 60 Prozent der Befragten messen der Nachhaltigkeit in ihren Lieferketten einen hohen Stellenwert bei. Kaum ein Unternehmen gab an, dass das Thema gar keine Rolle spiele. 

Verantwortungsbewusstsein wächst

Für eine „Green Future“ muss aber auch in den Köpfen der Verbrauchenden ein Umdenken stattfinden – etwa in Form eines bewussteren, ethischen Konsums und einer nachhaltigeren Lebensweise. Das Gute: Laut der neuesten Trendstudie „Bewusster leben“ der Otto Group bezeichnen immerhin 70 Prozent der Befragten ethische Kriterien als festen Bestandteil von Kaufentscheidungen. Besonders wichtig sind den Konsumierenden dabei eine umweltfreundliche Herstellung, menschenwürdige Arbeitsbedingungen, Produkte aus fairem Handel und die Themen Recycling und Kreislaufwirtschaft mit dazu noch einer längeren Produktnutzungsdauer. Werden diese Kriterien eingehalten, dann sind die Deutschen durchaus auch bereit, mehr Geld auszugeben, wie der TeamBank-Liquiditätsbarometer 2020 aufzeigt. Vor allem für nachhaltig hergestellte Kleidung, Bio-Lebensmittel oder Öko-Strom wird ein höherer Preis wohlwollend in Kauf genommen. Allerdings haben Frauen und die unter 30-Jährigen in puncto nachhaltigen Konsum die Nase vorn. Es ist also an allen Ecken und Enden noch Luft nach oben.

Grafik: Umfrage: Nachhaltigkeit in der Industrie

Schon gewusst?

Das Pariser Klimaabkommen ist das Ergebnis der Klimaschutzkonferenz, welche im Dezember 2015 in Paris stattgefunden hat. Insgesamt 195 Nationen haben das Dokument unterzeichnet. Das Ziel, zu verhindern, dass die weltweite Temperatur um mehr als zwei Grad ansteigt, wurde kürzlich verschärft und auf 1,5 Grad gesenkt. Das Pariser Klimaabkommen verpflichtet die Industrienationen – darunter auch Deutschland – jährlich 100 Milliarden Dollar für Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern bereitzustellen.

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