Sparsamer Energieverbrauch

Eine neue Chance für mehr Nachhaltigkeit

Von Michael Gneuss und Katharina Lehmann · 2022

Deutschland steht unter Druck. Das knappe Gas zwingt uns, die Energiewende zu beschleunigen und vielleicht auch ganz neue Wege für eine sichere und klimagerechte Versorgung zu gehen. So paradox es auch klingen mag: Den Klimaschutz könnte die Krise am Ende sogar voranbringen.

Mutter und Kind schauen sich Windräder an
Mit grüner Energie in eine saubere Zukunft. Foto: iStock / undefined undefined

Wenn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck derzeit durch die Welt reist und eindringlich zum Energiesparen aufruft, erzählt er, dass er selbst nur noch fünf Minuten unter der Dusche steht. Die Botschaft des Grünen-Politikers dahinter ist klar: Deutschland befindet sich in einer akuten und schweren Energiekrise. Die Bundesrepublik hat sich in den vergangenen Jahren zu stark von russischen Energieimporten abhängig gemacht und dabei Krisenszenarien zu wenig im Blick gehabt. Jetzt ist nicht nur guter Rat teuer – auch die Wärme in der kalten Jahreszeit wird für viele kaum noch oder gar nicht mehr bezahlbar sein. Kurzfristig bleibt nur die Hoffnung auf einen warmen Winter oder darauf, dass Russland den Gashahn doch noch einmal aufdreht oder andere Energiequellen aufgetan werden. Wer aber die Interviews mit Minister Habeck aufmerksam verfolgt, nimmt immer auch einen Hoffnungsschimmer für die langfristige Entwicklung wahr. „Es gibt jetzt eine neue Allianz aus Klimaschutz und Energiesicherheit“, sagt Habeck mit Blick auf den angestrebten forcierten Ausbau erneuerbarer Energien. Unter der Oberfläche seien mächtige Bewegungen im Gange, um den Kontinent stärker zu machen. 

Mehr als Energie

Denn Fakt ist: Neben dem Energiedilemma schwelen viele weitere Krisen, die an Schärfe zunehmen werden. So sorgt der Klimawandel nicht nur für immer heftigere Wetterextreme mit Dürren und Waldbränden, Überschwemmungen und Stürmen. Er hat auch das Potenzial, ganze Landstriche unbewohnbar zu machen. Zudem forciert er die wachsende Spaltung zwischen Arm und Reich und birgt so auch jede Menge sozialen Sprengstoff. Auch der Fachkräfte- und Arbeitermangel stellt die westlichen Industrienationen vor massive Probleme. All diese Herausforderungen gilt es jetzt anzugehen, um Deutschland und die Welt nachhaltig in eine lebenswerte Zukunft zu führen. 

Dabei ist ein Umdenken erforderlich. Seit Anfang der 1970er-Jahre werden die Grenzen des Wachstums bereits beschrieben. Nie fühlten wir uns, so nah an diese herangekommen zu sein wie heute. Uns bleibt nur, die aktuelle Krise auch als Chance zu sehen. Im Mittelpunkt steht dabei ein effizienterer und bewussterer Umgang mit den Ressourcen. Dass Energie heute als kostbares Gut erkannt wird, ist sicherlich nicht schlecht. Aber auch andere Rohstoffe, Lebensmittel und selbst unsere Arbeitskraft sind zu wertvoll, um gedankenlos verbraucht zu werden. 

Grafik: Akteure mit einem wichtigen Einfluss auf die Nachhaltigkeit

Sparsamer Energieverbrauch und Innovationen voraus

Die hohen Energiepreise belasten Verbrauchende und Wirtschaft derzeit schwer. Sie setzen jedoch auch eine Innovationswelle in Gang, die das Ziel hat, sparsamer mit den Ressourcen umzugehen und den Umstieg von den fossilen auf die erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Dafür beabsichtigt die Europäische Kommission, der Energiewende mit stattlichen 300 Milliarden Euro für den Ausbau von Wind- und Solarkraft sowie der Stromnetze noch mehr Tempo zu verleihen. Aber auch in der Wirtschaft werden energieeffiziente und nachhaltige Innovationen schon allein aufgrund der enorm gestiegenen Energiepreise vorangetrieben. So plant der Energieversorger RWE zusammen mit dem Stahlhersteller ArcelorMittal, Offshore-Windparks zu bauen und zu betreiben mit dem Ziel, den Stahl CO₂-neutral zu erzeugen. 

Und der Verbraucher? Der ist längst nicht so machtlos, wie es derzeit mitunter den Anschein hat. Zwar seien langfristige Infrastrukturinvestitionen nötig. „Aber auch wir Bürgerinnen und Bürger können unmittelbar handeln und sehr wirksam Energie sparen“, weiß Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamts (UBA). Die Heizung etwas herunterdrehen, einen Wasser sparenden Duschkopf einbauen und weniger, vor allem langsamer mit dem Auto fahren – all das ließe sich sofort umsetzen, koste kein bis wenig Geld und entlaste die Haushaltskasse spürbar. „Und wir werden deutlich unabhängiger von Rohstofflieferungen aus Russland“, ergänzt Messner. Das UBA schätzt, dass durch eine um zwei Grad niedrigere Raumtemperatur in allen deutschen Wohn- und Nichtwohngebäuden sowie durch den Einbau von Spar-Duschköpfen rund zehn Prozent des russischen Erdgases einsparbar sind. Messner: „Die beste Energie ist die, die gar nicht verbraucht wird. Das war schon immer richtig – und ist in der aktuellen Energiekrise noch wichtiger geworden.“ So bietet die Krise derzeit für Deutschland und die Welt auch die Chance, die Energieversorgung langfristig nachhaltig, also sauber und CO₂-neutral, effizient und unabhängig aufzustellen. 

Darstellung der russischen Pipeline nach Deutschland
Deutschland muss sich von russischem Gas unabhängig machen. Foto: iStock / Mikhail Mishunin

Auch kommende Krisen meistern

Dennoch: So wenig es uns gefallen mag, die Energieprobleme zwingen uns in einen Krisenmodus. Alle sind gefordert. Meistern wir in Deutschland und Europa diese Krise und gehen gestärkt und mit neuem Selbstbewusstsein aus ihr hervor, werden wir uns auch weiteren und vielleicht noch größeren Herausforderungen erfolgreich stellen können. Vor uns liegt eine gewaltige Transformation unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft. Wir werden deutlich mehr für den Klimaschutz tun und uns gleichzeitig dem Klimawandel so gut wie möglich anpassen müssen. Unternehmen, die zukunftsfähig bleiben wollen, werden ihre Produkte und Dienstleistungen auf diesen Kraftakt abstellen. Denn viele wollen am nachhaltigen Umbau der Gesellschaft teilnehmen und werden klimaschädliche Güter immer weniger kaufen. Erschwerend kommt allerdings hinzu: Die Wirtschaft braucht für die Bewältigung dieser Transformation viele kreative Talente und erfahrene Fach- und Führungskräfte. Und genau die sind in dieser Zeit knapp und oftmals nicht mehr in ausreichender Zahl zu finden. Der demografische Wandel in den Industrieländern geht einher mit einer wachsenden Weltbevölkerung. Migration und Integration sind daher eine Möglichkeit, die Probleme zu lösen. Viele Unternehmen werden wahrscheinlich aber auch abwandern, um ihre Produktion in Ländern auf der Südhalbkugel, in denen es mehr Arbeitskräfte gibt, aufrechterhalten zu können. Die Digitalisierung wird forciert werden, um mehr Prozesse zu automatisieren, also ohne Arbeitskräfte bewältigen zu können. Autonome Lkws werden Kraftfahrer ersetzen. Roboter werden anstelle von Servicekräften den Kaffee in der Gastronomie servieren. Auch müssen digitale Lösungen mit dem Ziel entwickelt werden, CO₂-Emissionen zu vermeiden. Für die Führungskräfte in den Unternehmen ist damit eine ganz neue Zeit angebrochen. Nur wenn sie ihre Firmen zu einem Teil der Lösung der vielen Probleme machen, werden sie eine Zukunft haben. 

All diese Herausforderungen nachhaltig anzugehen bedeutet, immer auch die Weltgesellschaft mit ihren regional spezifischen, aber auch globalen Bedürfnissen im Blick zu behalten – also nicht nur in Bezug auf ein paar Jahre oder die eigene Lebensspanne, sondern so, als könne diese Art des Wirtschaftens, Handels, Lebens ewig so weitergehen. Nur so werden wir auch nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Welt hinterlassen.

Quellen:
Umweltbundesamt: Sparsam durch die Energiekrise
Focus: Krieg, Gaskrise, Preis-Hammer: 4 Gründe, warum es trotzdem Grund für Optimismus gibt
Handelsblatt: Habeck – Gaskrise ist große Chance zu neuer Stärke

Array
(
    [micrositeID] => 48
    [micro_portalID] => 28
    [micro_name] => Klimaschutz
    [micro_image] => 2654
    [micro_user] => 2
    [micro_created] => 1488280693
    [micro_last_edit_user] => 2
    [micro_last_edit_date] => 1488378642
    [micro_cID] => 1620
    [micro_status] => 1
    [micro_cache] => 0
    [deleted] => 0
)