Ressourceneffizienz

Langes Leben für Rohstoffe

Von Michael Gneuss und Katharina Lehmann · 2024

Mit Innovationen treiben junge und etablierte Unternehmen die Kreislaufwirtschaft voran und sorgen somit für nachhaltigere Produkte. Der Bund fördert mit einer eigenen Strategie die Entwicklung und setzt dabei unter anderem auf Verbrauchsreduktion und Ausweitung des Recyclings.

Eine Hand hält die Erde. Der Hintergund ist grü.
Foto: i Stock / Dilok Klaisataporn

Es könnte ein Durchbruch in der Verpackungsindustrie sein: Im kommenden Jahr wollen Dr. Montgomery Jaritz und Benedikt Heuer mit ihrem Start-up IonKraft eine patentierte Kunststoff-Beschichtung auf den Markt bringen, deren Barrierewirkung mit der von Glas vergleichbar ist, die dabei aber chemisch resistent und vor allem vollständig recycelbar ist. Verpackungshersteller könnten so millionenfach nicht recycelbare, mehrschichtige oder PFAS-haltige Verpackungen durch umweltfreundliche Alternativen ersetzen. Die neue Beschichtung bietet zudem umfassenden Schutz, sodass recycelte Materialien für empfindliche Produkte, Lebensmittel oder Kosmetika eingesetzt werden können. Für den Bau einer ersten Produktionsanlage erhielt das aus der RWTH Aachen gegründete Start-up eine Förderung durch den EIC Accelerator der EU sowie Risikokapital in Höhe von 3,5 Millionen Euro. Mit dem neuen Material will Jaritz einen neuen Industriestandard für Verpackungsbeschichtungen setzen. Es ermöglicht den Herstellern, vollständig recycelbare Produkte zu produzieren und gleichzeitig die Umweltbelastung und ihren CO₂-Fußabdruck zu reduzieren. 

Für eine starke Wirtschaft

Es sind Ideen wie diese, die Innovationen hervorbringen und damit die Kreislaufwirtschaft nach vorn befördern. „Wir brauchen Unternehmergeist“, forderte jüngst Noch-Bundesumweltministerin Steffi Lemke beim Circular Valley Forum in Wuppertal: „Grüne Start-ups treiben Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft mit kreativen Lösungen voran.“ Ziel müsse sein, die vorhandenen Rohstoffe, solange es geht, im Kreislauf zu halten und den Rohstoffverbrauch insgesamt zu senken. Das sei ein Beitrag zur Versorgungssicherheit und Risikovorsorge sowie zum Umweltschutz und schaffe langfristig Wettbewerbsvorteile für die deutsche Wirtschaft. Es gelte, die „Transformation zur Kreislaufwirtschaft als Chance für die Zukunft zu begreifen“, sagt Lemke – für eine „krisenfeste, zukunftsgerichtete, erfolgreiche Wirtschaft, für intakte Natur und stabiles Klima“.

Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie mit vier Zielen

Aus diesem Grund arbeitet die Bundesregierung an einer Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS). Steffi Lemke nennt dafür vier strategische Ziele: So gehe es erstens um die Senkung des Verbrauchs von Primärrohstoffen. Der liege in Deutschland bei 16 Tonnen pro Kopf und Jahr und solle auf sechs bis acht Tonnen sinken. Weiteres Ziel sei es, Stoffkreisläufe zu schließen und den Anteil von Sekundärrohstoffen, also Rezyklaten oder recyceltem Material, von derzeit 13 Prozent bis 2030 zu verdoppeln. Drittens müsse sich die Bundesrepublik nicht zuletzt aus geostrategischen Gründen unabhängiger von Rohstoffimporten aufstellen, meint Lemke. Und im vierten Punkt geht es darum, das Müllaufkommen pro Kopf bis 2030 um zehn Prozent und bis 2045 um 20 Prozent zu reduzieren. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts fielen im Jahr 2021 in Deutschland rund 620 Kilogramm Siedlungsabfall pro Einwohner an. Um die neuen Ziele zu erreichen, braucht es ein Bündel an Maßnahmen: Neben einheitlichen und verbindlichen Standards und rechtssicheren, aber unbürokratischen Regulierungen sei die Finanzierung ein wichtiger Schlüssel für die Transformation zur Kreislaufwirtschaft. Zwar müssten neue zirkuläre Geschäftsmodelle langfristig auch ohne Förderungen funktionieren, zunächst könne der Staat aber zum Beispiel über Bürgschaften oder Public-Private-Partnerships private Investitionen flankieren. Themen rund um die zirkulären Wertschöpfungsketten werden am 30. Januar 2025 auch auf der „Handelsblatt“-Konferenz „Circular Economy 2025“ diskutiert. Unter dem Motto „Bye linear, hi circular“ kommen zu diesem Event wieder „führende Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger sowie Expertinnen und Experten aus Politik und Wirtschaft zusammen, um von Best-Practice-Cases zu lernen, aktuelle Probleme zu identifizieren und Lösungsansätze auszutauschen“, heißt es in der Ankündigung.

Ressourceneffizienz: Digitalisierung als Enabler

Ein wichtiger Faktor für die Kreislaufwirtschaft wird die Digitalisierung. In Form eines digitalen Produktpasses könnten zum Beispiel Informationen über den Lebenszyklus, verwendete Materialien oder Zusatzstoffe für Transparenz hinsichtlich der zirkulären Qualität sorgen. Überhaupt hätten digitale Tools das Potenzial, den Aufbau einer Circular Economy voranzutreiben, wenn sie denn systemisch eingesetzt würden, heißt es in einer Studie der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech). In der Untersuchung mit dem Titel „Digitale Enabler der Kreislaufwirtschaft“ zeigen die Forschenden anhand von drei sehr unterschiedlichen Produkten – T-Shirts, Waschmaschinen und Einfamilienhäusern –, welche digitalen Technologien und Anwendungen Wertschöpfungsketten zirkulär gestalten können. Essenziell sei ein reibungsloser Informationsaustausch zwischen allen Akteuren der Wertschöpfungskette über Eigenschaften, Verfügbarkeit, Zustand und Nutzung von Produkten. Das betrifft auch recyclingrelevante Daten oder Informationen zur Bepreisung von Umweltkosten. Digitale Technologien und Anwendungen wie Datenräume und digitale Produktpässe (DPP) ermöglichen es, diese Informationen effizient und kostengünstig nutzbar zu machen.

„Der Entwurf der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) und auch die neue EU-Ökodesign-Verordnung unterstreichen zu Recht die entscheidende Bedeutung digitaler Technologien für die Kreislaufwirtschaft. Nun gilt es, digitale Enabler in die Anwendung zu bringen“, meint acatech-Präsident Thomas Weber. Neben digitalen Produktpässen brauche es Datenräume und interoperable Datenformate sowie Schnittstellen, Plattform- und Konsortialprojekte, mit denen alle Marktakteure effizient Informationen austauschen und gemeinsame Datenökosysteme schaffen können. „Es geht uns dabei um gemeinsame, skalierbare Lösungsstrategien für zirkuläres Wirtschaften, das unsere Rohstoffversorgung auf ein nachhaltiges, resilientes und souveränes Fundament stellen wird“, so Weber. „Wachstum und Ressourcenverbrauch lassen sich entkoppeln, wenn wir statt der linearen Logik des Produzierens, Konsumierens und Entsorgens einen systemischen Ansatz für eine Kreislaufwirtschaft verwirklichen“, ergänzt Projektleiter und acatech-Vizepräsident Christoph M. Schmidt. „Digitale Technologien geben uns dafür die Werkzeuge an die Hand. Nur sie ermöglichen den nötigen Informationsaustausch, auf dessen Grundlage neue zirkuläre Geschäftsmodelle entstehen können.“ 

Schon gewusst?

2.700 Liter Süßwasser werden für die Herstellung eines Baumwoll-T-Shirts benötigt.

Quelle: www.acatech.de/publikation/digitale-enabler-der-kreislaufwirtschaft/; Zugriff: 22.11.2024

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