Nachhaltige Kunststoffe

Auf den Kreislauf kommt es an

Von Jens Bartels · 2024

Ein Leben ohne Produkte wie Schaumstoffmatratzen, Dämmmaterialien oder Leichtbauteile im Auto ist heute kaum mehr vorstellbar. In einer modernen Kreislaufwirtschaft rückt deswegen immer mehr in den Fokus, zirkuläre Lösungen für kunststoffbasierte Produkte in allen Phasen ihrer Lebenszyklen – angefangen beim Design über die Herstellung bis hin zum Recycling – zu entwickeln.

Eine Hand: Der Zeigefinger drückt eine Art Recycling-Knopf.
Recycling bereits beim Produktdesign mitdenken. Foto: iStock / LaymanZoom

Ob für Fahrzeuge, Elektronik, Bau, Verpackungen, Haushalt oder Medizin: Kunststoffe spielen für unser modernes Leben eine wichtige Rolle. Fast jedes Produkt wird darin eingepackt. Kunststoffe sind leistungsfähig, effizient und günstig. Jährlich stellt die deutsche Kunststoffwirtschaft mehr als 21 Millionen Tonnen Kunststoffe her. Gleichzeitig sind mit Kunststoffen Probleme für Umwelt und Nachhaltigkeit verbunden. Sie werden meist aus endlichen, fossilen Rohstoffen hergestellt. Zudem ist das Recycling von Kunststoffabfällen häufig noch herausfordernd und teurer als die Neuproduktion, sodass Kunststoffe am Ende ihrer Lebensdauer zum großen Teil noch immer verbrannt werden und damit klimaschädliche Treibhausgasemissionen erzeugen. Dies bedeutet einen enormen Energie- und Materialverlust. Entsprechend stellt sich die Frage, wie Kunststoffe besser in eine zukünftige Kreislaufwirtschaft integriert werden können.

Wirtschaftlichkeit verbessern

„Wir müssen dafür sorgen, dass Kunststoffe aus dem Bau oder aus Fahrzeugen stärker dem Recycling zugeführt werden, dass grundsätzlich weniger Schadstoffe in ihnen enthalten sind und dass Kunststoffe nicht so häufig in Materialverbünden genutzt werden, die die Recyclingfähigkeit erschweren“, fordert etwa Johannes Klinge. Der Experte für eine nachhaltige Kunststoffwirtschaft am Öko-Institut betont aber auch, dass für eine Kreislaufwirtschaft im Kunststoffsektor die Wirtschaftlichkeit der hochwertigen Verwertung steigen muss. Unternehmen brauchen beispielsweise Investitionssicherheit und bessere Marktbedingungen beim Recycling und beim Einsatz von Rezyklaten.

Nachhaltige Kunststoffe: Rezyklate nehmen zu

Immerhin bestehen mittlerweile bereits 13,5 Prozent der in Europa hergestellten Kunststoffprodukte aus Rezyklaten. Erstmals wurde in Europa außerdem mehr Kunststoff recycelt als deponiert, berichtet der Verband PlasticsEurope. Dabei ist das mechanische Recycling weiterhin die dominierende Art des Recyclings, nur etwa 0,1 Prozent der Rohstoffe für die europäische Kunststoffproduktion stammt bislang aus dem chemischen Recycling. Dazu kommt ein Prozent aus biobasierten Materialien. 

Allerdings setzen nicht alle Sektoren gleich stark auf den Einsatz von Kunststoffrezyklaten. Während die Bereiche Landwirtschaft (38 Prozent), Bauwesen (23 Prozent) und Verpackung (10 Prozent) schon häufiger zirkuläre Rohstoffe für ihre Produkte verwenden, liegt die Quote etwa im Automobilbau bei gerade einmal 4,6 Prozent und im Bereich Elektrotechnik und Elektronik noch darunter. So überrascht es nicht, dass Plastic Europe für eine massive Ausweitung von Sammlung und Sortierung von Kunststoffabfällen wirbt. Dies ist auch deswegen dringend notwendig, weil laut einer neu beschlossenen EU-Verordnung Unternehmen bei der Herstellung von neuem Kunststoff ab dem Jahr 2030 bestimmte Mengen Rezyklat beimengen müssen – und zwar je nach Sorte und Verwendungszweck bis zu 35 Prozent.

Chancen in allen Phasen

Insgesamt wird es bei Kunststoffen zur Regel werden müssen, in allen Phasen der Lebenszyklen – von der Herstellung über die Verwendung bis zur Wiederverwendung – die Anstrengungen für ein Plus an Nachhaltigkeit zu erhöhen. Dies beginnt bereits beim Design. Mehrschichtverbünde aus verschiedenen, miteinander verklebten Kunststoffen oder die Vielfalt eingesetzter Kunststoffe erschweren beispielsweise das Recycling. Dagegen können etwa sortenreine Einwegartikel aus Monomaterialien, also Kunststoffen, die aus ähnlichen oder identischen Polymertypen bestehen, in den Recyclingkreisläufen gut getrennt und verwertet werden, sofern man sie korrekt entsorgt. 

Für bestimmte Anwendungen braucht man allerdings auch in Zukunft komplexe Materialmixe. Aber für diese Fälle gibt es ebenfalls innovative Lösungen: Durch eine Kombination aus mechanischen und chemischen Recyclingverfahren etwa können selbst aus den komplexesten Kunststoffabfällen wertvolle Rohstoffe zurückgewonnen und recycelt werden. Dabei ermöglicht es chemisches Recycling, sehr vereinfacht gesagt, die Polymerisation rückgängig zu machen und die langen Polymerketten in ihre einzelnen Bestandteile zu zerlegen. Je weiter man diesen Prozess zurückdreht, umso mehr Aufwand ist aber auch nötig, um die entstehenden Öle und Gase wieder aufzubereiten und neu zu polymerisieren. Daher sollte man sich stets für die effektivste Prozesskombination von Verfahren entscheiden, die das Recycling von Abfallströmen maximiert und zugleich einen minimalen Umweltfußabdruck ermöglicht.

Verpackungsdesign dank KI

In Zukunft könnte rund um die Frage nach zirkulären Lösungen im Bereich von Kunststoff auch die KI ein wichtiger Faktor werden. Dies zeigt zum Beispiel der vom Bundesministerium für Forschung und Bildung geförderte KI-Anwendungshub Kunststoffverpackungen. Hierbei haben es sich die beteiligten Akteure wie etwa das Fraunhofer IVV im Rahmen eines Innovationslabors zur Aufgabe gemacht, eine komplett neue, branchenübergreifende Software zu entwickeln, welche eine ganze Reihe nachhaltiger Anforderungen an eine Kunststoffverpackung berücksichtigen kann und mithilfe von mathematischen Modellen und KI-basierten Methoden zu einer Gesamtschau vereint. Nach vollständiger Integration aller Daten schlägt zukünftig die Software bestmögliche Verpackungsdesigns für ein bestimmtes Produkt bei gleichzeitig minimalem Materialaufwand vor. Aktuell fügen führende Akteure aus allen Bereichen der Verpackungswirtschaft bestehende Software-Bausteine zusammen, die verschiedenste Faktoren berücksichtigen, wie beispielsweise die Haltbarkeit des Produktes, die Ökobilanz einer Verpackung, deren Auswirkungen auf die Umwelt, den Einsatz von Rezyklaten und sogar die Konsumentenakzeptanz. Ein weiterer Meilenstein des KI-Anwendungshubs ist ein eigens entwickeltes elektronisches System, welches die Erfassung und Verknüpfung von Informationen verschiedenster Akteure der Verpackungsindustrie erlaubt, um nachhaltigere Produktionsprozesse zu etablieren. Beide Innovationen werden in Zukunft notwendig sein, um Rezyklate besser in Verpackungslösungen einzuarbeiten.

Schon gewusst?

In Europa arbeiten derzeit mehr als 1,5 Millionen Menschen in einem der 51.700 Unternehmen der Kunststoffindustrie, weiß der Verband der Kunststofferzeuger, PlasticsEurope Deutschland. Insgesamt erzielte die Branche im Jahr 2023 mehr als 365 Milliarden Euro Umsatz.

Doch: Im Vergleich zu 2022 sank die Kunststoffproduktion in der EU um 8,3 Prozent auf 54 Millionen Tonnen; die Produktion von mechanisch recycelten Kunststoffen auf der Grundlage von Post-Consumer-Abfällen ging um 7,8 Prozent auf 7,1 Millionen Tonnen zurück. Diese Zahlen stehen im Gegensatz zu einem globalen Anstieg der Kunststoffproduktion um 3,4 Prozent.

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