Energie- und Wärmewende

Mehr Druck auf dem grünen Kessel

Von Jens Bartels · 2024

Um die Klimaziele zu erreichen, müssen die erneuerbaren Energien und die Netze noch deutlich ambitionierter ausgebaut werden. Gleichzeitig ist ein leistungsfähiges Stromnetz die Voraussetzung für die Elektrifizierung des Wärmesektors. Trotz der Fortschritte in den vergangenen Jahren hinkt der Ausbau derzeit dem Zeitplan hinterher.

Eine Hand mit Licht und verschiedenen Animationen von grünen Lösungen für die Energiewende.
Foto: iStock / Shutthiphong Chandaeng

Die Energie- und Wärmewende beschäftigt Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen. Ohne sie sind weder die gemeinsam gesetzten Klimaziele noch eine nachhaltigere Energieversorgung zu erreichen. Doch welche Bedeutung hat dieses Thema für die deutsche Bevölkerung? Eine Umfrage im Auftrag des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft zeigt: Die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland schätzt die Energiewende als bedeutsam ein. Rund 35 Prozent der Befragten halten sie für „sehr wichtig“, während 46 Prozent sie als „wichtig“ betrachten. Elf Prozent empfinden sie als „weniger wichtig“ und vier Prozent als „überhaupt nicht wichtig“. Die Umfrage zeigt also deutlich: Die überwiegende Mehrheit der Deutschen steht hinter der Energiewende. 

Energie- und wärmewende: Mehr Tempo zu beobachten

Entsprechend zufrieden können die Menschen in Deutschland mit den neuesten Zahlen zum Fortschritt der Energiewende sein. Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat zuletzt spürbar an Fahrt gewonnen: 57 Prozent des deutschen Stromverbrauchs wurden in den ersten drei Quartalen dieses Jahres aus erneuerbaren Quellen gedeckt. Dabei erreichte der Ausbau von Photovoltaikanlagen (PV) neue Rekorde. Allein im Jahr 2023 wurden über eine Million PV-Anlagen zugebaut, fast fünfmal so viel wie noch im Jahr 2021. Auch bei den Windkraftanlagen an Land verzeichnete die Bundesrepublik im vergangenen Jahr 60 Prozent mehr Neuanlagen als noch 2021. Und auch der Ausbau der Infrastruktur, etwa in der Elektromobilität, kommt endlich besser voran: Fast 40.000 neue öffentliche Ladepunkte für Elektrofahrzeuge wurden 2023 in Betrieb genommen, eine Steigerung um 97 Prozent gegenüber dem Zubau im Jahr 2021. 

Stromnetz auslasten

Aber der Weg ist noch lang. Klar ist: Mit der Energiewende muss auch das Stromnetz weiterentwickelt werden. Doch bereits heute hält der Ausbau des Stromnetzes nicht mit dem der erneuerbaren Energien Schritt. So kann bereits in einigen Regionen nicht mehr zu jeder Zeit der Strom aus erneuerbaren Energien vollständig abgenommen und übertragen werden. Die Folge: Windräder müssen abgeschaltet werden, und große PV- und Windparks können nicht ans Netz gehen, da die Netzkapazitäten fehlen. Außerdem kommt es im Netzbetrieb zu Engpässen, bei denen die Netzbetreiber kurzfristig eingreifen müssen. Um den größer werdenden Anteil erneuerbarer Energien in das Energiesystem zu integrieren, könnte das deutsche Stromnetz kurzfristig schon jetzt deutlich mehr Strom transportieren. Eine Studie der Energietechnischen Gesellschaft im VDE empfiehlt, dafür die vorhandene Netzsubstanz besser zu nutzen. Für Kabel berechneten die Studienautoren eine höhere Strombelastbarkeit von bis zu 60 Prozent, bei Transformatoren auf bis zu 50 Prozent. Leiterseile können demnach bis zu 58 Prozent mehr Belastung aushalten, wenn auf witterungsabhängigen Freileitungsbetrieb umgestellt wird. Bei Schaltanlagen wiederum liegt die zusätzliche Belastbarkeit bei 15 Prozent, was durch eine verbesserte Kühlung oder digitale Überwachung mit Sensoren erreicht werden kann.

Wasserstoffnetz ausbauen

Um die Klimaziele zu erreichen, müssen aber die erneuerbaren Energien und die Netze in den nächsten Jahren dennoch deutlich ambitionierter ausgebaut werden. Schwankende Einspeiseleistungen von Erneuerbare-Energie-Anlagen und die neue räumliche Verteilung der Stromerzeugung machen eine umfangreiche Anpassung der Netzinfrastruktur notwendig. Doch wie wird das künftige Energienetz genau aussehen, und wie lässt sich Energie möglichst effizient transportieren? Mit diesen Fragen haben sich Forschende der Technischen Universität (TU) Berlin und der Universität Aarhus in Dänemark beschäftigt. Nach ihren Berechnungen würde ein paralleler Ausbau von Wasserstoff- und Stromnetzen nicht nur erneuerbare Energie aus den sonnigsten und windigsten Regionen Europas in die bevölkerungsreichen Industriezentren bringen, sondern der parallele Ausbau wäre auch am günstigsten und könnte europaweit jährlich bis zu 70 Milliarden Euro einsparen. Ein klug geplantes Wasserstoffnetz könnte dabei zu fast 70 Prozent aus vorhandenen Gasleitungen gebaut werden.

Neue Lieferstätten entstehen

Klar muss sein: Grüner Wasserstoff ist als klimaneutraler Energieträger ein entscheidender Baustein der künftigen Energie- und Wärmeversorgung. Wasserstofffähige Gaskraftwerke etwa können flexibel hoch- und heruntergefahren werden und somit einspringen, wenn Wind und Sonne zu wenig Strom erzeugen, um den Bedarf zu decken. Dennoch kommt der Markt kaum in Schwung, immer wieder werden große Projekte verschoben oder komplett gestrichen. Weltweit braucht es Schätzungen zufolge allein bis 2030 mehr als 100 Millionen Tonnen grünen Wasserstoffs, momentan gibt es aber nur Anlagen, um eine Million Tonnen zu produzieren. Ein Land, das zum selbst erklärten Marktführer in der Produktion werden will, ist Saudi-Arabien. Dafür plant der Staat laut ZDF-Informationen die Gründung eines eigenen Mega-Unternehmens. Zu den Hauptzielmärkten soll auch Deutschland gehören. Demnach will Saudi-Arabien in Zukunft mindestens zehn Prozent der weltweiten Nachfrage von grünem Wasserstoff decken, erzeugen will das Land den Wasserstoff mit Solarstrom. Der eigentliche Energieträger könnte dann in Form von grünem Ammoniak per Schiff exportiert werden.

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